Die Murnauer Malerin Sabina Bockemühl und die Tegernseer Autorin Sonja Still eröffneten Anfang Februar im Museum für zeitgenössische Kunst – Diether Kunerth in Ottobeuren ihre Ausstellung „Lebens-Stücke“ – ein ungewöhnliches Projekt, das nicht nur Bilder, sondern auch Texte beinhaltet und so Neues schafft: Aus Bild und Text formt sich ein „Hyperimage“. Entstanden sind die Bilder während der Pandemiebeschränkungen. Die Malerin fand sich in ihrem Lebensradius durch die öffentlichen Regeln plötzlich eingeschränkt, konnte nicht mehr im Austausch mit ihrem Publikum oder ihren Schülern stehen. Den äußeren Vorgaben folgend, reduzierte sie sich auch in ihrer Arbeit auf die kleine Welt und wählte ein kleines Format. Davor war sie vor allem für ihre großflächigen Bilder auf Leinwand bekannt. Ganze Welten tun sich darin auf. Obwohl im Kleinen weniger Platz zu sein scheint, sind die Motive detailliert und vielfältig ausgearbeitet. Während der de facto Berufsbeschränkung startete die Künstlerin eine Auktion mit diesen Bildern und versteigerte jede Woche online ein Gemälde. Sie eröffnete mit ihrer Arbeit eine Art „gemaltes Tagebuch“. Doch ein Tagebuch impliziert eine einseitige Kommunikation, es gibt in einem Tagebuch keine Widerrede. Kunst aber soll anregend sein und auch zum Diskurs ermutigen. So lud Sabina Bockemühl die Autorin Sonja Still ein, Kurzgeschichten zu ihren Gemälden zu schaffen. Sonja Still wurde zur ersten Betrachterin, die sich äußern sollte. Sie bekam Fotos der Bilder, bevor sie versteigert wurden, ohne irgendeine Information zu Motiv, Szene, Machort, Titel oder gar Gedanken von Sabina Bockemühl. Sie schrieb Miniaturgeschichten dazu. Es sind Reflexionen, Dialoge, Märchen, Erzählungen. Auch ihre Texte wurden in der Zeit der Pandemie nicht durch Debatte und Gespräch, sondern durch Input aus den Medien, Lektüren oder Telefonaten mit ausgewählten Gesprächspartnern gespeist. Die Malerin und die Autorin ließen sich die gegenseitige Freiheit, das jeweils Eigene auszudrücken. So wurden sie Kontrapunkt und Ergänzung zugleich.
Die Ausstellung zeigt kolorierte Fine Art Prints der bereits versteigerten Gemälde. Großformatige Originale entstanden zusätzlich nur für diese Präsentation. Über QR-Code sind ausgewählte Texte abrufbar. Anlässlich der Sonderausstellung ist ein umfassendes Buch mit Bildern und Texten erschienen. Die Stories wurden auch ins Englische übertragen und die Kunsthistorikerin Katrin Hoerner ordnete das Projekt in den Kontext ein. Ein Video stellt die Autorinnen vor. Die Vernissage eröffnete Katrin Stoll, Inhaberin des Münchner Auktionshauses Neumeister, die „The Business of Art“ an der Munich Business School lehrt und auch an der Ludwig-Maximilians-Universität München und anderen internationalen Institutionen und Kommissionen einen Ruf hat. Nach Ausstellungsende Mitte April wird die Ausstellung im Kulturzentrum Waitzinger Keller in Miesbach vom 6. Juli bis 15. August 2023 zu sehen sein. Im Herbst soll Kitzbühel, Österreich, folgen.
Informationen zur aktuellen Ausstellung unter www.mzk-diku.de